Wir möchten dich heute zu einem Gedankenexperiment einladen.
Hatte Hitler Recht? – Hier würden die allermeisten Menschen natürlich mit einem klaren „Nein“ antworten und wir schließen und dem natürlich auch aus vollem Herzen an.
Die spannende Frage ist: Warum? Warum ist es falsch einen weltweiten Krieg anzuzetteln, der nach heutigen Schätzungen wohl etwa 80 Millionen Menschen das Leben gekostet hat?
Ein Beispiel: Wenn Evolution das Überleben der Starken ist, dann hilft uns die Evolutionstheorie offensichtlich nicht, über „Richtig“ und „Falsch“ bzw. „Gut“ und „Böse“ zu urteilen. Wenn Menschen auch nur hochentwickelte Tiere sind, dann sind alle Versuche, dem Menschen und seinem Leben einen besonderen Wert zuzusprechen, am Ende nur gesellschaftliche Konventionen. Und wenn eine neue Gesellschaft aufkommt, die dem Menschen einen anderen oder gar keinen Wert mehr zuschreibt, dann können wir das zwar persönlich falsch finden, aber wer sagt, dass unsere Meinung und die Meinung unserer Generation besser ist als die Meinung eines anderen und einer neuen Generation?
Am Beispiel von Hitler, der uns mit seiner Ideologie und vor allem mit dem Grauen des Völkermords an den Juden so deutlich in unserem Gewissen abstößt, wo wir so deutlich merken, dass das falsch war, ist es regelrecht schmerzhaft, wenn man keinen harten, logisch belastbaren Grund haben, um unsere Meinung sicher zu begründen. „Mit gefällt das nicht“ ist zwar wahr aber doch recht dürftig, denn Hitler war demokratisch gewählt und hatte einen riesigen Rückhalt in der Bevölkerung. Woher bekommen wir eine moralische Grundlage, auf der wir sein Tun wirklich verurteilen können?
Nun kann man natürlich zu Recht sagen, dass die Alliierten in der Mehrheit waren. Zum Glück, denn so haben sie den Krieg am Ende gewonnen. Und sie haben auch den großen Prozess der Aufarbeitung des Krieges, der damit im Zusammenhang stehenden Verbrechen und letztlich auch Rehabilitierung des deutschen Volkes eingeleitet, wofür wir wirklich sehr dankbar sein können. Es fühlt sich so an, als wäre damit auch unser moralisches Dilemma gelöst, denn wenn eine Mehrheit gegen Hitler und sein Reich war und am Ende gesiegt hat, dann ist ja klar, dass er falsch lag – oder nicht?
Hier möchten wir dir dazu die Gegenfrage stellen: Wenn also Hitler den Krieg gewonnen hätte und am Ende 51% (oder mehr) der Menschheit auf seiner Seite gewesen wären, hätte er dann plötzlich Recht gehabt?
Natürlich nicht. Wie könnte Völkermord je richtig sein? Wenn wir uns solche Fragen stellen, merken wir, dass unser Gewissen sie beantworten kann – aber unser Verstand durchaus kämpfen muss, um eine wirklich tragfähige Begründung zu liefern.
Was wir hier haben, ist eine Problemstellung, der sich die Menschheit als Ganzes nicht entziehen kann. Wenn wir uns die schlimmsten Monster der Menschheit anschauen (Hitler, Stalin, Massenmörder usw.), dann merken wir sehr deutlich, dass es ein „absolut falsch“ gibt. Die Logik gebietet, dass es dann auch ein „absolut richtig“ geben muss. Und weder das eine, noch das andere, kann dann Gegenstand individueller oder sogar demokratischer Meinungsbildung sein, denn „absolut richtig“ und „absolut falsch“ sind moralische Kategorien, die über jeder Meinung, Mode, gegenwärtigen Gesetzgebung, kultureller Konvention, Philosophie oder Ideologie stehen müssen, da sie ansonsten nicht absolut sein können. Damit stehen diese absoluten Normen dann notwendiger Weise aber über der gesamten Menschheit – und auch über dir und mir.
„Wenn es keinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt.“
— Fjodor Dostojewskis (1821 – 1881)
Dieser Gedanke Dostojewskis bringt es mit erschreckender Klarheit auf den Punkt. Entweder es gibt einen Gott – und dann sind wir ihm alle Rechenschaft schuldig. Oder es gibt keinen Gott – aber dann gibt es kein absolutes „Richtig“ und „Falsch“; dann haben wir nur Meinungen.
Wenn dein Gewissen dir nun sagt, dass es aber einige Dinge in dieser Welt gibt, die ohne Zweifel absolut falsch sind, wohin führt dich das?