Wenn der Richterstuhl leer ist

„Wenn es keinen Gott gibt, können wir nicht mehr sagen, dass die eine Handlung ‚moralisch‘ und die andere ‚unmoralisch‘ ist, sondern nur noch: ‚Ich mag das‘ bzw. ‚ich mag das nicht.‘ Wenn dem so ist, wer soll dann das Recht haben, seine subjektiv-willkürlichen moralischen Gefühle zu Gesetzen zu machen?“

Timothy Keller, „Warum Gott?“, Brunnen 2010, S. 188

Und doch: „Wir alle leben so, als ob Frieden besser ist als Krieg, Wahrheit besser als Lüge, liebende Fürsorge besser als Zerstörung. Wir glauben, dass die Wahl zwischen diesen Alternativen nicht sinnlos ist, dass es wichtig ist, wie wir leben.

Aber wenn der kosmische Richterstuhl leer ist, wer sagt dann, dass die eine Alternative besser ist als die andere?

Wir könnten uns lange darüber streiten, aber dieser Streit ist sinnlos. Wenn der Richterstuhl leer ist, dann wird die ganze Lebensspanne der menschlichen Zivilisation, selbst wenn sie ein paar Millionen Jahre dauern würde, nur ein verschwindender Funke sein gegenüber dem Ozean toter Zeit, der ihr voranging und folgen wird. Es wird niemand da sein, der sich an irgendetwas erinnern wird, und es wird egal sein, ob wir in unserem Leben liebevoll oder grausam waren. […]

Es ist unehrlich, so zu leben, als ob er [Gott] da ist, und ihn gleichzeitig nicht anzuerkennen“

Timothy Keller, „Warum Gott?“, Brunnen 2010, S. 192-193