C. S. Lewis war ein Literaturkritiker von Weltformat. Er berichtete über seine Lektüre der Evangelien:
„Ich habe mein Leben lang Gedichte, Epen, Visions-Literatur, Legenden, Mythen gelesen. Ich weiß, wie sie aussehen. Ich weiß, dass keines von ihnen dem gleicht. Über diesen Text [des Johannesevangeliums] gibt es nur zwei mögliche Ansichten. Entweder ist er eine Berichterstattung … Oder aber es hat irgendein namenloser Schriftsteller im 2. Jahrhundert ohne bekannte Vorgänger oder Nachfolger plötzlich die ganze moderne, romanhafte, realistische Erzähltechnik vorweggenommen.“
Was meint Lewis hier? In der Antike waren erzählende, fiktive Texte ganz anders als heute. Moderne Romane und Erzählungen haben ein realistisches Flair; sie enthalten Dialoge und Detailschilderungen und lesen sich wie Augenzeugenberichte. Doch diese Gattung fiktionaler Texte entwickelte sich erst im Laufe der letzten 300 Jahre. […] diese Art des Erzählens war im 1. Jahrhundert unbekannt.
Timothy Keller, „Warum Gott?“, Brunnen Verlag 2018, S. 136-137